'An die (nicht ganz) ferne Geliebte'

 

1993 - zum Geburtstag meiner

Frau Annemarie                                                          

 

Dies Opus ist der Frau gewidmet,

die ruhlos durch das Leben flitzt. -

Das ist so manchem gut bekommen,

dem Clan vor allem hat `s genützt.

 

Ich nenn' euch gern den ersten Einsatz,

mit dem sie mir einst gut gedient. -

Danach gibt's mehr noch zu vermerken;

die Zeit muß sein, sie hat's verdient.

 

Vor drei Jahrzehnten saß ich häufig -

nach heldisch herem Chorgesang -

im Dunst von zünftgen Skaterrunden.

Die dauerten oft ziemlich lang.

 

Dort hört' ich einst 'ne Blonde flüstern:

"Bis 24 - Kreuz - dann weg!"

Ich war zu der Zeit Skatnovize,

sie längst ein spielperfekter Crack.

 

Die Freunde schalten drum oft zornig:

"Ein Kiebitz schweigt! Halt bloß den Mund!"

Doch schnell verhallte diese Warnung -

meint ihr nicht auch, - fast bis zur Stund'?

 

So half sie häufig mir am Skattisch,

auch wenn sie dann mal Schelte kriegt'. -

Es kam dann bald zu andern Taten,

die man an Tischen seltner sieht.

 

Wir tasteten und immer näher,

wovon nicht nur der Nachwuchs zeugt.

Ihr Einfluß wurd' enorm geweitet.

Wo ist der Mann, den Frau nicht beugt.

   

Aus Sorge, daß mich Böses treffe

- denn Geld trübt den Charakterkern -,

hielt sie auch pekunäre Dinge

sehr fürsorglich stets von mir fern.

 

Ich sollt' mich größ'ren Dingen widmen:

Wer ist als Kanzler erste Wahl?

Wer führt im Sowjetreich die Kräfte?

Das war genug Entscheidungsqual.

 

Nun muß ich wahrlich äußerst loben:

Sie faßte alles kraftvoll an.

Warum sollt ich mich also quälen

wo sie doch - praktisch - alles kann.

 

Real bestimmt und dabei herzlich

hielt sie's mit unserm Kindsqurtett,

begleitete es zielgerichtet,

nicht nur am Abend bis an 's Bett.

 

Kein Schultermin durfte verstreichen -

bei Vieren - na, das ist doch was -

wo immer sie sich produzierten

Ganz klar, daß Mutter 'unten' saß.

 

Und daß sie gerne heut' noch kommen,

um Rat sie fragen, ab und an,

das spricht für gute Rezepturen,

die nirgends man studieren kann.

 

Nun, Kochen, Backen, Wäschepflegen

sind Grundausstattung, das ist klar.

Jedoch beim Mauern, Fliesenlegen

sind Frauen doch schon etwas rar.

 

Man denke auch an's Tapezieren -

und wenn sie das Zu Haus' nicht tat -

beklebte sie  'ne Wand bei Freunden,

gab zusätzlich noch guten Rat.

 

Auch Bäume fällen, Platten hieven,

der Hausanstrich bis hoch an's Dach.

Kurzum, sie hielt es mit Malochen -

ich fürcht', sie liegt demnächst mal flach.

 

Es gibt da schon so ein'ge Zacken;

ein Doktor arbeitet auch dran.

Doch schafft sie weiter nach dem Motto:

Erst Medizin - dann aber 'ran!

 

Stets presto sie den Tag verbrachte;

zur Nacht hin dann die Lust leicht schwand.

"In 's Bett, in 's Bett - ich möchte nur schlafen!"

wo ich auf andre Lüste sann.

 

Als dann die Kinder meist gegangen.

Das Haus um Grade stiller war.

Da hat sie sich dann vorgenommen:

"Nun geht's ruhig ab, das wird jetzt wahr!

  

Sie resümierte ganz vernünftig:

"Ich merk, die Kräfte sind labil!"

Gleich andern Tags - mir war's unfaßlich -,

der Altenpflege sie verfiel.

 

Das geht nun auch schon ein paar Jahre;

doch tröstet mich gering dabei,

daß diese Schulung vielleicht wichtig,

für 'n Dienst am eignen Alten sei.

 

Gestattet mir noch den Gedanken

- bei Reimen kam mir die Idee -:

Gesetzt, daß sie Musik studierte -

ich wär seit Jahren schon Rentier.

 

"Bleib du zu Haus', frön' deinen Hobbys!

Ich nehm' das für dich in die Hand.

Sie säß noch heute in meinem Sessel -

mein Nachfolger im Wartestand.

 

Das hiesige Musikschulwesen

hat gleichwohl von ihr profitiert,

zwar nicht durch kunstvoll Musizieren -

zur Praxis wurd' sie nie geführt.

 

Jedoch bei Seminar und Fete,

und immer,  wenn wir mal getagt -

Man sagte ihr: "Mach du den rahmen!"

Ihr Management hat nie versagt.

 

Damit sie mal in großer Stille

so knapp vor 'm Orbit meditiert,

hab ich ihr heut als letztes Mittel

zwei Stunden Luftfahrt rezeptiert.

 

Ich fürchte nur, für den Ballonchef

es kaum mehr viele Arbeit gibt.

Sie wird wohl selbst die Hülle füllen

und sorgen, daß der Ballast kippt.

 

Solch Rhythmus läßt sich wohl nicht ändern;

doch, wenn auch viel dagegen spricht

- ich wünsche, daß der Tag nie komme -,

selbst einbuddeln kann sie sich nicht.

 

Nur, wer Jahrzehnte übt beflissen,

sich raufend nicht final entzweit,

bringt es im schweren Fach 'Familie
mit gutem Glück doch ziemlich weit.

 

Weil ich an Schlüssen gern noch gipf'le,

fällt Schiller mir - verändert - ein:

"Ein Clan, der solches Weib gefunden,

dankt Gott und stimmt in Jubel ein!"


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