Ich geh' dem Spruch nicht auf den Leim!

 

Mit sechsundsechzig Jahren - Mann - ,

fängt erst das Leben richtig an!

Ein Troubadour rief 's weit hinaus:

„Auf, Jungs! - Die Luft ist längst nicht raus!“

  

Die Angst vor 'm Zahnarzt ist behoben;

die neuen Beißer sind zu loben.

Sie schmerzen nicht, sind weiß und eben,

per Haftmittel kannst du sie kleben.

 

'ne neue Hüfte ist bestellt,

das Ding kostet ein Schweinegeld;

doch will man ja in jedem Falle

bald öfter wieder mal zum Balle.

 

Dann, nicht des Schattens wegen nur,

geht 's hin und wieder ab zur Kur.

Den feisten Bauch wird man dort schmelzen,

dich täglich auf den Matten wälzen.

 

Dein Blutwert wird konstant gemessen. -

Du bist aufs Optimum versessen.

Die Schlemmerei war doch zum Quälen;

mit sechsundsechzig darfst du wählen.

 

Ganz gleich, wo es mal zwickt und zwackt,

pro Weh gibt 's was, lockend verpackt.

Zwar ist es häufig teurer Plunder,

doch Placebo wirkt auch mal Wunder.

 

Und streiken wirklich mal Organe,

verzweifle nicht im Endzeitwahne.

Frisch auf! - Nur Mut! - Los, renovieren!

Fast alles lässt sich neu montieren.

  

Und wer besorgt nach unten schaut,

weil er den Kräften arg misstraut,

soll wirklich nicht gleich resignieren.

Das klappt schon noch - nur rationieren!

 

Mit sechsundsechzig Jahren - Mann -,

fängt erst das Leben richtig an.

Selbst erst so fünfzig, sang 's der Star. -

Ganz klar, dass ich da skeptisch war.

 

Dem Spruch geh' ich nicht auf den Leim,

ich kenne da 'nen andern Reim.

'ne Diva sang in einer Schau:

Der alte Wolf wird langsam grau!"

 

Das reizt mich nun zu diesem Rat:

"Träume, die du mit siebzehn hast,

erwecke äußerst rasch zum Leben -

möglichst vor sechsundsechzig eben!"

 


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