Szenen aus der ‘Lernwerkstatt’

                                                  1966

 

Ein Kaiser hatt’ es schon verordnet:

„Für ’s Kind - wenn’s sechs -, ist Schule Pflicht!

Auf dass es gut durchs Leben finde,

ihm leuchte hell der Weisheit Licht“.

 

„Gesetzen gilt es zu genügen“,

meint auch des Marcus’ Mütterlein:

„Der Babykram ist ausgestanden.

Mir träumt’, du wirst bald Erster sein!“

 

„Nur wer mit Wissen vollgesogen,

sich selbst - auch andern - wirklich nützt;

der darf - so hoff’ ich -, später hoffen,

dass ihn die Rentenkasse stützt“.

 

Der Bub wird lieblich ausgestattet,

schmiegt eng die Tüte an sich ran;

dann machen sie sich auf die Socken. –

Die Lernwerkstatt ist nebenan.

 

Er tritt denn auch ganz munt'ren Sinnes

vor des Ministers Personal.

„Mama, darf ich schon mitbestimmen,

hab ich die Qual der Lehrerwahl?“

 

Doch war ja längst im Rat beschlossen –

wo kämen wir denn sonst auch hin – :

„Der Marcus kommt in Jochens Klasse!“ –

Nicht, weil ich gar der Onkel bin.

 

Es hieß, der Simon sei sehr strenge;

nur Fragen gäb’s und Antwortspiel.

Ein jeder kannte seine Orders;

zumeist galt die :“Mucksmäuschenstill!“

  

Es muß sich doch in Ruhe öffnen,

was gengespeichert mitgebracht,

denn Kluges kann sich nur entfalten,

wenn drumherum kein Lärm gemacht.

 

Die täglich da im Fernsehn talken -

mein Gott, wie ich die Typen hasse -,

die Nonsens durcheinander quasseln. –

Die stammen nicht aus Marcus’ Klasse.

 

‘Herr Simon’, hieß es nun im Dienste -

da zählt’ nicht das Verwandtschaftsband.

Der Knabe mit den dunklen Augen

fand das natürlich amüsant.

 

Nicht, weil ihr mich umsonst beköstigt,

schreib ich ‘nen Jubelvers jetzt ein: –

Der Traum, den Mütterchen einst träumte,

der trat real umgehend ein.

 

Noch, wenn ich sorgfältig mich mühte,

mit Wissenschaft und Akribie

Probleme gründlich aufzubröseln,

die Lösung - Marcus hatte sie.

 

Kurzum, es gab ‘ne Topkarriere

im Haus des guten Nik'laus Groß,

denn M. ließ gute Qualitäten

in allen seinen Fächern los.

 

Doch ein Problem gab’s mit uns beiden:

der Knabe machte alles links.

„Was soll ich mit der Unart machen?“

fragt ich die Pädagogen-Sphinx.

 

„O Isis, Gott! Das mußt du ändern!

Das ist für's Leben sehr fatal.

Denk nur mal an der Tassen Henkel,

sie sitzen rechts, für links ‘ne Qual“

 

„Und ist nicht auch ’ne goldne Feder

zum Schreiben rechts hin abgeschrägt.

Ein Linkshänder, das ist zum Heulen,

schreibt nicht damit, oh, Graus , der sägt!“

 

„Und links, welch Übel bei ‘ner Sitzung“,

beschwört mich fürderhin die Sphinx,

„damit man flott mit rechts zugreife,

hängt doch die Lokusrolle links!“

 

Im Lexikon heißt’s zu solch ‘Linken’:

es funkt bei ihnen rechts im Hirne

viel flotter und bedeutend stärker,

als in ‘ner ganz normalen Birne.

 

Das wollt’ beim Marcus ich nicht mindern,

drum gab ich’s Biegen schleunigst dran.

Doch dann fing - oh, verdammte Bosheit -

der Bengel rechts zu schreiben an.

   

Ganz klar ist es von großem Vorteil,

wenn jede Hand sensibel greift.

Das nützt nicht nur dem Pianisten,

auch dem, der bald zum Mann gereift.

 

Begreifen heißt ja, Hand anlegen.

Da gibt es, nach der Pubertät,

an zarten Wesen viel zu leisten,

was länger, als ihr glaubt, noch geht.

 

Drum will ich - Marcus -, mal behaupten,

wenn das nicht übel funktioniert,

dann war’s Erfolg der Strategie auch,

die wir zu Anfang praktiziert.

 

Und noch, geschichtlich wohl bezogen:

in Marcus schreibt man c statt k.

Besinnen gut auf alte Spuren:

Im Römerreich war’s K nicht da!

 

Das galt auch für den Jünger Lucas -

ihn nenn’ ich hier ganz flüchtig nur -

weil ich auf keinen Fall euch wünsche,

was ihm am Ende widerfuhr.

 

Des Herrn Apostels Karriere

verlief ganz plötzlich äußerst mies.

Ihr wisst, dass es auf jeder Kirmes

‘Los, haut den Lucas!’ schreiend hieß.

 

Als Marcus sich bald fortgebildet

von unserm Einstiegsinstitut,

erfuhr ich’s gerne immer wieder:

der Knabe macht sich äußerst gut.

 

Doch einmal noch - vielleicht ein Traum nur -

schien er jedoch stark links zu drehn.

Ich hörte schon Schalmeien schrillen

und sah grellrote Fahnen wehn.

 

Der Junge hört ich, will zur Apo,

gar hinter deren Theke stehn.

Ich eilte umgehend nach Münster.

Ganz klar, das durfte nicht geschehn.

 

Ich fand ihn, weißbekittelt wirken,

Pillen verteilend  stand er da,

wo eure Drogen  auch gut lagern,

im Laden mit großem roten ‘A’.

 

Das waren nur ganz wen’ge Tupfer

von dem, was man erfahren hat.

Die wicht’ge Story mit der Wiebke

vermerk ich auf ‘nem Extrablatt.

 

Vorab jedoch, das ziemt sich wirklich,

da findet erst der Glückwunsch statt.

Wenn ihr die beiden so betrachtet -

der Bund doch beste Chancen hat.

  

Doch kann’s ganz sicher auch nicht schaden.

dass aller Wunsch das Duo stützt,

es selbst stets Geist und Sexappeales

als Supermix vorzüglich nützt.

 

Gut wär’s, wenn Gott den Bund auch segnet,

denn schon in ‘Sprüche 16’ steht:

„Der Mensch erdenkt sich seine Wege,

der Herr nur gibt, daß er fortgeht!“

 


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