Urknall einer Liebe oder -

Albtraum eines Jung-Apothekers

Eine Ballade

 

Das, was ich nun euch hier berichte,

ich weiß nicht, ob das alles stimmt.

Beim Reimer muss man ja wohl fürchten,

dass er 's nicht so präzise nimmt.

  

Das Leben des probaten Jünglings

lief stetig eh'r in ruhiger Bahn.

Doch eines Nachts, so kurz vor zwölfe -

noch heute stöhnt er: "Es war Wahn!"

 

Er geht ins Pharmazeuten-Stübchen

wo Gift zum Heile er oft mischt.

Für'n Fremden ists ein schaurig Örtchen,

weil es dort höllisch stinkt und zischt.

 

Er füllt auf Kräutermix im Kolben

ganz fein gestoß'nes Knochenmehl

und quirlt dazu zwei Pfauenaugen,

noch Safran und besondres Gel.

 

Dann stellt er alles auf die Flamme. –

Noch regt sich nichts im klaren Glas.

Doch bald beginnt 's drin aufzuwallen,

es zischt scharf hoch, wie brüllend Gas.

 

Hell flammt 's jetzt auf in grellen Farben,

und Blitze zucken hin und her.

M. denkt an Goethes 'Zauberlehrling'. –

Da hilft kaum noch die Feuerwehr.

 

Die Kräfte brechen in die Freiheit

und zwar mit urgewalt'gem Knall.

Der Jüngling wird emporgeschleudert

und kommt danach - was wohl? - zu Fall.

 

Da liegt er lange, arg benommen,

erschüttert nach verlorner Schlacht.

Als dann die Sinne wiederkommen,

gibt 's gar ein Wunder. – Irre Nacht.

 

Die schwefelfarbnen Höllendämpfe

verzaubern sich in mildem Licht

zu zarten Schleiern, leicht sich wiegend. –

Die Wandlung hier versteht er nicht.

 

Im Glanz, wie aus ganz edlen Weinen,

tritt nun ein holdes Wesen ein.

Ich, der Chronist, seh' da schon klarer:

das muss mehr als ein Traumbild sein.

 

Davon, wie magisch angezogen

schwebt er - der eben brach noch lag -,

will lüstern nach dem Schemen greifen.

"Wer bist du, holdes Wesen? - Sag!"

 

Just als er naht, es zu berühren,

erlischt das Bild, das ist fatal,

denn jetzt befällt den armen Jüngling

ganz unerhörte Liebesqual.

 

Er läuft wie 'n Irrer durch die Szene,

per Kopf oft blindlings an die Wand,

holt sich dabei die typ'sche Macke,

die viele trieb ins Eheband.

 

Möcht gar in jenem Käfig schmachten,

der an Lamberti - Münster - hängt!

Will laut in alle Winde fragen,

wer ihn zu seinem Traumbild lenkt.

 

Bemüht's Orakel und die Karten,

schaut bei Tessiér schnell auch mal rein,

und trinkt in Massen schwarzen Kaffee;

in seinem Satz könnt' Antwort sein.

 

Er geht auch nebenan zum Pfarrer.

Der weiß: " Kommt Zeit, mein Sohn, kommt Rat!"

Nur Zeit, die ist zurzeit das Einz'ge,

von der er äußerst wenig hat.

 

Dann eines Nachts: "Das ist die Lösung!

Warum kam sie mir vorher nicht? –

Ich stell erneut mal einen Kolben

auf ein ganz heißes Bunsenlicht".

 

Die Mischung ist gut angerichtet –

wie in der Nacht, da 's knallt' und schmolz.

Es schlägt grad' zwölf. "Jetzt muss ich zündeln!"

Er greift nun schnell zum Streich das Holz.

 

Da, wie aus tausend Mega-Boxen,

'ne Stentor-Stimme mahnend spricht:

"Halt ein, du Tor, ich muss dich warnen!

Versuch auch du die Götter nicht!"

     

"Die Zeit der Prüfung ist vorüber.

Ich weiß, du leidest, weil du liebst.

Gleich wirst du 's Traumbild wirklich sehen,

damit du endlich Ruhe gibst".

 

Der Fremde nimmt ihn in die Wolke,

mit der er lautlos angereist.

Sie schweben nun, nicht weit nach Norden,

zu einer Burg, die Teuto heißt.

 

Jetzt landen sie vorm Tor der Feste.

Starr steht der Fürst dort auf der Brück

- der Trip war lange wohl gechartert -,

hält an der Hand des Burschen Glück.

 

Die lieblich wonnige Erscheinung

entzückt ihn, wie einst in der Nacht.

Auch sie hat seit dem Spukerlebnis,

scheint's, manchen Kummer durchgemacht.

 

Der Jüngling stellt sich vor den Edlen:

"Herr, rück mir deine Tochter raus!

Sonst werfe ich - lies mal Vers sechs nur -,

'nen heißen Kolben auf dein Haus!"

 

Der Ritter ist nur leicht verärgert:

"Du kesser Bube, mäß'ge dich!

Die herzigliebe, holde Tochter,

weint auch seit Nächten fürchterlich".

  

Was also bleibt mir and'res übrig,

bevor sie uns noch ganz vergeht,

als dass ich sie dir anvertraue.

Ihr Glück an erster Stelle steht".

 

Sie sinken sich gleich in die Arme,

vergessen dabei Zeit und Raum.

Das, was beim Ur-Knall Schmerzen streute,

jetzt ist’s real geword'ner Traum.

 

"Ich werde dich auf Händen tragen",

das schwört er, feierlich, per Eid. –

Na ja, bei steigenden Gewichten

wird er's vielleicht doch leicht mal leid.

 

Das Paar verschwindet mit der Wolke,

die mild in Rosrot gefärbt.

Sie hat, beliebt als Glücksvehikel,

sich wieder einmal sehr bewährt.

 

Von ferne tönt's noch wie aus Watte:

"Ihr seht's in der Agenda stehn! -

Wir beide möchten euch sehr gerne

beim Hochzeitsfeste wiederseh'n".

 

Berichtet ihr einst euern Kindern,

fangt ruhig mal mit der Wahrheit an.

„Na, ja“, so werden sie dann sagen,

„ist nicht ganz selten, wie’s begann“.

 

Es war vermutlich alles anders,

dramatisch nicht so von Gewicht.

Doch wer es glaubt, wurd' nicht betrogen,

wer skeptisch, schätzt wohl Märchen nicht.

 


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