Die Tastenriesin

 

Die Wiege stand in jenem Lande,

wo Liszt die Pranken weit gespreizt

und mit brillanten Fingerwirbeln

den Tastenlöwen eingeheizt.

 

Den Campus mit des Meisters Namen

hat sie mit Glanz einst absolviert.

Bevor wir ihren Ruhm vernahmen,

wurd' ihre Kunst weltweit prämiert.

 

Jüngst war'n wir wieder eingeladen,

zu hören Ludwig van und Liszt,

zum Spiel am teuren schwarzen Kasten,

der dazu sehr geeignet ist.

 

Und jeder, der sie spielen hörte,

tat kund nach prasselndem Applaus,

was ihm so speziell gefallen,

kam mit markanten Spots heraus:

 

"Wenn sie die Kantilene streichelt

und lind dann mit Arpeggien kränzt,

wobei Agogik Spannung weitet, —

das Abonnentenauge glänzt!"

 

Wenn mächtig sie Akkorde donnert,

ihr Temprament nichts mehr beschwert,

wenn perlenklare Skalen blitzen, —

was ist da schon ein Asbach wert?!"

 

"Wenn sie Chromatik züngelnd startet,

scharf in Thematik sich verbeißt

und der Motive Blitze zündet, —

was macht 's da, wie der Kanzler heißt?!"

 

"Wenn über sprudelnd flinken Bässen

- wie der Alberti sie erfand -,

bezaubernd Melodien schwelgen. —

gerät man außer Rand und Band".

 

"Wenn sie die Rhythmen aufbereitet,

besessen und doch herrlich locker,

darein dann bettet zartes Echo, —

das reißt selbst Rocker noch vom Hocker."

 

"Wenn sie die Trillerketten flicht

bis hin zum zum allerhöchsten Ton

und per Glissando abwärts jagt, —

wen zieht's da noch ans Grammofon?!"

 

"Wenn sie dann noch mit spitzen Fingern

Staccato in die Tasten hämmert,

wobei des Flügels Flanken beben —

es endlich auch den Göttern dämmert!"

 

Was wird uns an Tastentischen

von ihrer Kunst wohl noch erblühn? –

Ich werde - um das anzuhängen -,

`nen andern Rhythmus schnell bemühn.

 

Bei Konzert und Großkadenzen

wird sie oft titanisch glänzen.

Bei Romanzen, Elegien

uns vermehrt in Träume ziehn.

Bei Präludien und Fugen

reizt sie die besonders Klugen.

 

Bei Sonaten und Troldhaugen

drängt sie Tränen in die Augen.

Selbst bei Tango und Elise,

spürt ihr, sie ist Tastenriese,

auch bei Scherzo und Legenden

und beim Walzer mit dem Floh.

 

Nun, ein jedes Werk muss einmal enden,

und das wird 's jetzt — einfach so!

 


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