Festival der Zwerge     oder

     Der Zwerg - die Gnade der Kultur

 

zur  Zwergenpräsentation

     in der Landesgartenschau in Lünen 1995

 

Hoch geht es her im Zwergenreiche:

das gab es hundert Jahre nicht.

Auch ‘Oberon’ *, der Alt-Franzose,

hat längst schon davon Wind gekriegt.

 

* ‘Auberon’ = Boß der französischen Wichte,

 

Er ließ durch Boten sich berichten,

was fern in Deutschland da passiert,

und Alberich, Chef deutscher Wichte,

hat ihm persönlich referiert.

 

„Du weißt, in sehr, sehr fernen Zeiten

ging die Geschichte um die Welt,

daß sieben Zwerge, hinterm Berge,

dem Tod ein Beinchen mal gestellt.

 

Vor lauter Ach und heulend Elend -

sie stolperten beim Grabesgang;

Schneewittchen - bautz -, erwacht zum Leben,

just, als der Sarg in Scherben sprang.

 

Dann gab’s da noch in Köln die Story,

die Mensch und Zwerge sehr erregt’,

als - neugierig -, die Frau des Schneiders

sich nächtens auf die Lauer legt’.

 

Mich, Alberich, - auch and're Zwerge -,

hat Wagner später noch beehrt,

als er im ‘Ring des Nibelungen’

'ne wicht'ge Rolle mir beschert.

 

Doch das ist alles längst Geschichte -,

still wurd’s danach hier klaftertief.

Wir fühlten uns so ziemlich nutzlos,

weil Phantasie dort oben schlief.

 

Doch plötzlich gibt es große Pläne,

an einem Ort, nicht sehr bekannt,

bei einem Völkchen in Westfalen,

den ‘Lüningen’ am Lipperand.

 

* ‘Lüninge’ = Bürger der Stadt Lünen.

 

Sind Gnome auch, 'ne Menge Elfen,

Zwerge, wie wir, nicht ganz so kurz.

Die  beiden Oberkommunarden

befiel jüngst ein Ideensturz.

 

Gestützt vom fernen Landesvater

Woll'n sie 'nen großen Garten.

Gewühlt wird längst schon im Gelände;

schaut nur mal hin, was die sich traun.

 

Ein tiefer See soll drin entstehen, -

hört, Base Nixe flippt schon aus!

Doch für uns Wichtigstes von allem: -

für Zwerge gibt’s ein eig'nes Haus.

 

Ein Reservat nur für uns Zwerge;

einmalig in der Oberwelt.

Dann sind die prächtigsten der Wichte

in angemess'nes Licht gestellt.

 

Auch Repros von verdienten Kerlchen,

aus Ton geformt, kunstvoll bemalt,

entstehen schon in Meisterhänden.

Das Aug’ der Fans bald lustvoll strahlt.

 

Im Abbild soll auch ich erscheinen,

bizarr, mit doppeltem Gesicht:

von Lüsternheit erregt das eine,

aus and'rem wilde Habgier spricht.

 

‘Der Zwerg - die kulturelle Gnade!’ -

Das ist das Motto dieser Schau.

Der Schönheit wird Triumph beschieden;

Zwerge sind schön, darauf ich bau!

 

Selbst Wissenschaft ist eingeschaltet,

zum Thema ‘Zwerge’ nachzusehn,

auch das, was philosophisch wichtig;

Bedenken gilt es zu entgehn.

 

Die hegt kein Freund des Gartenzwerges,

der fern von Skepsis sich hell freut.

Auch der, der wähnt sich hochgebildet,

wird fachlich exzellent betreut.

 

Denn, Zwerge gibt’s nicht nur in Gärten;

sie tummeln sich in Wind und Meer

und geistern gern durch Wald und Moore.

Sie müssen zur Totalschau her.

 

Die Nachricht dringt durch Felsen, Gänge,

drahtlos, na klar, per Hammerschlag.

Schon wird geputzt, frisiert, geschneidert,

wo jüngst im Schlaf noch alles lag.

 

Der Marschbefehl ist ausgegeben.

Hin, zu den Lüningen! Auf, auf, -

zum südlichsten der Lippebögen!

Europa wartet auch schon drauf.

 

Zwar ist ganz deutlich zu erkennen:

man schafft nicht selbstlos Zwergenland.

Wir sollen Menschenmassen locken, -

von wegen miesem Kassenstand.

 

Doch Zwerge denken auch pragmatisch:

weil sie bewegt von ihrem Wert,

als Fantasie-Schatz fortzuleben,

ist das Spektakel nicht verkehrt.

  

Mir scheint die Sache mit den Zwergen

für ‘Lüninge’ 'ne sich're Bank.

Wer Schönstes nur vom Schönen vorstellt,

verdient ja wirklich heißen Dank.

 

Ich, Alberich, der Zwergenkönig,

den man auch geiz'gen Raffger nennt -

müßt ich das alles selber zahlen -,

wär da - ganz klar -, viel mehr gehemmt.

 

Als Schatzmeister bei ‘Nibelungens’

erfuhr ich mehrfach böse Schmach.

Kein Wunder, daß - nach solcher Kränkung -,

der Hütejob mir nicht mehr lag.

 

Um mich aus Ketten zu entfernen,

vermacht’ ich Wotan meinen Schatz,

dann knallte mir der Macho Siegfried

noch Schwertchen ‘Nothung’ an den Latz.

 

Fluchtartig suchte ich das Weite,

nach dem Debakel dort am Rhein,

fand Heimat hier am Grund der Lippe,

öd’ ohn’ des Rheines Töchterlein.

 

Doch blitzten blank noch alle Fluten,

als ich voreinst hier einsam schwamm.

Allmählich wurd’ das Wasser bleicher,

der Sand verkam zu schwarzem Schlamm.

 

Bekam auch einen Schatz zu hüten;

nicht wenig war mir anvertraut.

Nun wird, was ich so lang verteidigt,

bei ‘Horst, dem Mahr’ * total verbaut.

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* ‘Horst, der Mahr’ = Bezug auf den Ortsteil ‘Horstmar’,

 

Für mich gibt’s hier nichts mehr zu hüten,

Das Gold ist weg, der Beutel leer!

Selbst für der Trolle ‘Staatskapelle’ *

wird’s mit den Mitteln ziemlich schwer.

 

Gut, daß ich neuen Auftrag habe, -

mit Oberon, dem Euro-Wicht,

zu wirbeln für das Fest der Zwerge.

So'n Auftrieb gab es hier noch nicht.

 

Nun troll dich mal, du Troß der Trolle

und nutz die Chance, das Vertraun!

Im Zweifel fragt einfach uns Zwerge;

wir können herrlich Gärten baun.

 

Ich eil' jetzt rasch zu meinem Volke,

Rückkehr zum Fest, ich freu’ mich drauf

und grüß euch mit dem Ruf der Zwerge:

"Flink in den Berg, schlag drein, Glück auf!"
 


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